Niedrige Wahlbeteiligung – Gefahr für die Demokratie ?

Veröffentlicht am 16.01.2007 in Gemeindenachrichten

„Vorsicht vor schnellen Schuldzuweisungen“, warnte der Wahlforscher Dr. Dieter Roth. Die Dossenheimer SPD hatte den Mitbegründer der Forschungsgruppe Wahlen als Referenten zum Neujahrsempfang eingeladen. Die geringe Wahlbeteiligung insbesondere bei den OB-Wahlen in Heidelberg und Schwetzingen waren der Anlass für die Einladung an Dr. Roth. Die erfreulich hohe Besucherzahl und die anregende Diskussion nach dem Vortrag beweist das Interesse an Gründen für dieses Wählerverhalten.

Während Politiker häufig die Nichtwähler für unangenehme Wahlergebnisse verantwortlich machen (siehe Kappenstein in Schwetzingen), sind umgekehrt für viele Nichtwähler die schlechte Politik schuld an ihrer Wahlabstinenz. Die Befunde der Wahlforschung sind jedoch differenzierter: „Es gibt keine Politikverdrossenheit, sondern eine Parteienverdrossenheit!“

Das hat zum einen strukturelle, gesellschaftliche Ursachen. Die Individualisierung unserer Gesellschaft, die ein Mehr an Freiheit bietet, aber auch ein Mehr an Flexibilität und Mobilität fordert, erschwert und verhindert das Engagement in Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften und Vereinen. So erklären sich aktuell ca. 35% der Wahlberechtigten gegenüber politischen Parteien als „bindungslos“. Früher lag dieser Wert bei ca. 15%. „Diese Entwicklung müssen die Parteien hinnehmen und versuchen sich darauf einzustellen“, so das Fazit von Dieter Roth, denn die Individualisierung wird sich fortsetzen.

Eine zweite Gruppe von Motiven, nicht zur Wahl zu gehen, sind konjunkturelle. Neben einem Teil konsequenter, systemkritischer Nichtwähler sind zu dieser Gruppe insbesondere die Protestwähler zu zählen. Diese haben eigentlich eine feste Parteibindung, wählen aber aus Protest eine radikale Alternative oder gehen erst gar nicht an die Urne. Ein Verhalten, das ein legitimes Mittel der Kritik in einer Demokratie darstellt.

Ein Blick über die Grenzen in Länder mit längerer Demokratietradition als die BRD – z.B. die Schweiz – zeigen vergleichbare Schwankungen bei der Wahlbeteiligung. „Insoweit gibt es keinen Grund zur Panik“, rät Roth zur Gelassenheit. Wähler differenzieren zudem auch in der Wichtigkeit von Wahlen: Die Wichtigkeit von Bundestagswahlen wird mit einem Wert von 80% hoch eingeschätzt, die von Gemeindewahlen mit 50% niedrig - entsprechend ist dann auch die Wahlbeteiligung. Insbesondere für viele engagierte Kommunalpolitiker ein eher frustrierender Befund.

Der Rat von Dieter Roth an die Politiker: Nicht zu selbstsicher der eigenen Einschätzung vertrauen, sondern diese kritisch hinterfragen. Langfristig existentieller ist für die Parteien jedoch das Problem zu lösen, wie sich in einer individualisierenden Gesellschaft Meinungen bündeln lassen und diese in einen demokratischen, am Gemeinwohl orientierten Entscheidungsprozess eingespeist werden können.

 

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