Grenzen der „Obergrenze"

Veröffentlicht am 03.09.2024 in Aktuelles

Es gibt in der Dossenheimer Kommunalpolitik seit Jahrzehnten einen bewährten Brauch:
Im Vordergrund steht die Sachpolitik für die Dossenheimer Bürgerschaft. Parteipolitische
Einstellungen sind bekannt, werden auch diskutiert, treten aber im politischen
Alltagsgeschäft in den Hintergrund. Damit ist man sowohl im Verhältnis der
Gemeinderät:innen untereinander als auch im Verhältnis zwischen Gemeinderät:innen und
den jeweiligen Bürgermeistern gut gefahren.

Leider gibt es in letzter Zeit verschiedene Äußerungen zum Thema Bürgergeld und
Migrationspolitik, die diesen Konsens gefährden. Es ist ohne Frage absolut
nachzuvollziehen, dass man angesichts der schrecklichen Taten in Mannheim und
Solingen Wut, Verzweiflung, Fassungslosigkeit und Trauer empfindet. Die gleichen
Emotionen müssen aber auch den politisch Verantwortlichen in Berlin zugebilligt werden.
Die Unterstellung, dass nichts in Berlin passiere, hat sich im Nachhinein als falsch
erwiesen. Stattdessen hat man in Berlin seit Wochen an einem rechtsstaatlichen
Verfahren der Abschiebung gearbeitet. Es ist doch wohl klar, dass die Bundesregierung
nicht über die konkreten Verhandlungsschritte alle Bürgermeister:innen der BRD
regelmäßig informieren kann. Auch schon vorher wurden verschiedene Maßnahmen zur
Begrenzung der Flüchtlingszahlen verabschiedet. Bis diese Maßnahmen wirken braucht
es natürlich Zeit. Auch in der Dossenheimer Kommunalpolitik gibt es Projekte – sozialer
Wohnungsbau, Verdolung Mühlbach, die seit längerem brach zu liegen scheinen. Weniger
gut informierte Beobachter:innen könnten hier ebenso versucht sein den Verantwortlichen
Untätigkeit zu unterstellen.

Kann man ernsthaft glauben, dass eine „Obergrenze“ die Probleme der Migration lösen
wird? Faktisch bedeutet dies das Ende des individuellen Asylrechts – einem zentralen
Bestandteil unseres Grundgesetzes. Wer legt die „Obergrenze“ fest und wie hoch soll sie
sein? Was macht man mit den Geflüchteten, die nach Erreichen der „Obergrenze“
ankommen“ und „wirklich hilfsbedürftig“ sind? Geflüchtete fahren in Schlauchbooten über
das Mittelmeer oder den Atlantik. Werden die durch eine „Obergrenze“ abgeschreckt?

Übrigens – keine Partei in der Ampelkoalition fordert, wie unterstellt wird, „unbegrenzte Hilfe“ zu leisten. Wir müssen die zweifelsohne vorhandenen Probleme bei der Migration rechtsstaatlich lösen: Die Abwicklung der Asylverfahren muss zentralisiert werden. Um unseren Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, müssen Flüchtlinge besser für den Arbeitsmarkt qualifiziert und integriert werden. Der islamistische Terror muss mehr in den Blick genommen werden, und wir müssen mehr Entwicklungshilfe leisten, um die eigentlichen Fluchtursachen zu vermindern.

Als im Jahr 2015 die ersten Geflüchteten aus Syrien nach Dossenheim kamen, hat die Gemeinde zu ihrem Empfang den großen Saal des Martin-Luther-Hauses angemietet und ihnen zur Begrüßung Kaffee und Kuchen spendiert. Als die Geflüchteten im Saal ankamen, haben sich alle erhoben und Beifall geklatscht. Am Ende der Veranstaltung trat ein junger Syrer ans Mikrofon und hat ein syrisches Lied gesungen- niemand hat es verstanden, aber allen war klar, was er damit ausdrücken wollte – welch ein Moment!
Seitdem haben sich in Dossenheim viele haupt- und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer um die Geflüchteten gekümmert, was wegen der laufenden Diskussionen überhaupt nicht mehr gewürdigt wird. Deswegen an dieser Stelle ein aufrichtiges Danke an alle, die, trotz der nicht wegzudiskutierenden Probleme, weiterhin ihren Teil beitragen.

Für Fraktion und Ortsverein - Steffen Schmitt, Fraktionssprecher.