Müllverbrennung

Veröffentlicht am 13.02.2007 in Gemeindenachrichten

Vor zahlreichen Interessenten informierten die vier Referenten – Florian Knappe (BUND-Dossenheim), Uli Sckerl (Grüne), Frank Mentrup (SPD-Mannheim) und Fred Hermann (SPD-Dossenheim) am vergangenen Freitag in der Löwenscheuer über die aktuelle Diskussion zum Bau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) im Rhein-Neckar-Kreis. Im Mittelpunkt standen dabei Informationen über bisher wenig erwähnte Aspekte wie Ökologie und Konkurrenzkampf im hochprofitablen Markt der Müllentsorgung.

Müllmarkt:

Aufgrund gesetzlicher Änderungen ist die Restmüllentsorgung in Verbrennungsanlagen in den letzten zwei Jahren ein hochprofitables Geschäft geworden. Bis 2005 hatte die Mannheimer MVA mit Minderauslastungen zu kämpfen. Das damit verbundene wirtschaftliche Risiko haben alle Bürger in Heidelberg, Mannheim und dem Rhein-Neckar-Kreis über ihre Müllgebühren getragen. Ein sinnvolles und solidarisches Konstrukt. Seit 2005 darf Restmüll aber nicht mehr deponiert sondern muss verbrannt werden. Die drei Müllverbrennungsanlagen der MVV Energie AG in Mannheim, Leuna und Offenbach sind daher voll ausgelastet. Es wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1,2 Mio. Tonnen Restmüll verbrannt. Die MVV Energie AG stieg zum drittgrößten Betreiber thermischer Verwertungsanlagen in Deutschland auf. Die Erlöse der MVV aus dem Müllgeschäft stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 55%. Die Erlöse aus dem in den Müllheizkraftwerken erzeugten Strom- und Dampfmengen stiegen um 58%. Zwei Drittel der erzielten Gewinne fließen der Stadt Mannheim zu. Der Rest, die MVV Energie AG ist ein börsennotiertes Unternehmen, fließt zu gleichen Teilen an die EnBW und an verschiedene Aktionäre. SPD und Grüne verlangen nun deswegen von der MVV eine Senkung der Verbrennungskosten: „Die Bürger des Rhein-Neckar-Kreises haben über ihre Müllgebühren das wirtschaftliche Risiko mitgetragen und müssen nun auch an den Gewinnen partizipieren“, forderte Uli Sckerl.

Konkurrenz:

Auch von anderer Seite weckt die MVV wegen der hohen Gewinne Begehrlichkeiten. Wo Gewinne gemacht werden, lässt die Konkurrenz nicht lange auf sich warten. An einem Tochterunternehmen der AVR (Entsorger Rhein-Neckar-Kreis) ist mit 49% die Firma Remondis beteiligt. Die Remondis AG & Co. KG ist ein Familienunternehmen (Rethmann) und gemäß eigener Charakterisierung „eines der größten privaten Dienstleistungsunternehmen der Wasser- und Kreislaufwirtschaft in Deutschland“. Remondis betreibt über 500 Anlagen der unterschiedlichsten Müllentsorgungsverfahren darunter auch Müllverbrennungsanlagen. In Staßfurt (Sachsen-Anhalt) geht in diesem Jahr eine von Remondis errichtete Müllverbrennungsanlage in Betrieb. Völlig legitim fragt sich natürlich Landrat Schütz und die AVR, warum soll man diesen lukrativen Markt der MVV überlassen, wenn man mit Remondis einen Konkurrenten der MVV im Boot hat. Also sucht man einen Standort im Rhein-Neckar-Kreis.

Standort:

„Die Mannheimer Müllverbrennungsanlage ist wegen ihrer hohen Energieeffizienz und ihres geringen Schadstoffausstoßes beispielhaft in der ganzen Bundesrepublik“, so Florian Knappe. Es gibt im ganzen Rhein-Neckar-Kreis keinen Standort, der ähnliche Voraussetzungen bietet wie die Mannheimer Anlage auf der Friesenheimer Insel: die Anbindung an Rhein und Schiene vermeidet hohe Belastungen durch LKW-Verkehr, die unmittelbare Nähe von Industriebetrieben ermöglicht eine optimale Nutzung der bei der Müllverbrennung entstehenden Energie. Eine MVA auf der grünen Wiese, was am Schwabenheimer Hof der Fall wäre, ist ökologisch schädlich und ökonomisch unsinnig. „Eine Erkenntnis, die sich inzwischen was Dossenheim betrifft wohl auch bei der AVR durchgesetzt hat“, so Uli Sckerl. Andere Standorte wie Leimen, Sinsheim oder Wiesloch seien aber weiter in der Diskussion.

Kapazitäten:

Der Rhein-Neckar-Kreis liefert derzeit jährlich 85.000 Tonnen Verbrennungsmüll nach Mannheim. Mit dieser Menge kann eine eigene Anlage nicht wirtschaftlich betrieben werden. Fachleute gehen von sinnvollen Kapazitäten zwischen 200.000 und 300.000 Tonnen aus. Dies bedeutet, man müsste Müll aus anderen Regionen zukaufen. Die Zufahrt dieses Mülls soll nach Vorstellungen der AVR ausschließlich über die Autobahn (A5 oder A6!) erfolgen. Der Bau einer neuen MVA erfordert mit entsprechenden Genehmigungsverfahren schätzungsweise 4-5 Jahre. Die Anlage könnte also frühestens 2011 in Betrieb gehen. Wegen der profitablen Marktsituation erweitern aber jetzt schon zahlreiche MVA ihre Kapazitäten oder neu gebaute wie z.B. durch die Firma Remondis (Kapazität 300.000 Tonnen) in Sachsen-Anhalt nehmen ihren Betrieb auf. Es wird daher in der Branche schon jetzt vor Überkapazitäten bereits im Jahr 2008 gewarnt. Die Planungen der AVR kommen also schlichtweg zu spät. Das wirtschaftliche Risiko einer geringen Auslastung müssten letztendlich die Bürger des Rhein-Neckar-Kreises tragen.

Entsorgungspreise:

SPD und Grüne fordern, dass die MVV Energie AG den bis 2016 vertraglich festgelegten Verbrennungspreis für die Tonne Restmüll von 164,-- € auf 120,-- € (derzeitiger Marktpreis) vermindert. Bei der vom Rhein-Neckar-Kreis jährlich angelieferten Restmüllmenge von 85.000 Tonnen bedeutet dies, dass rund 3,5 Mio. € weniger an die MVV überwiesen werden müssten. Bei einem Ausstieg des Rhein-Neckar-Kreises aus dem Entsorgungsverbund mit Heidelberg und Mannheim könnte zwar der niedrigere Marktpreis mit einer anderen MVA ausgehandelt werden, die 85.000 Tonnen müssten aber an weiter gelegene Standorte transportiert werden. Höhere Transportkosten und Belastungen der Infrastruktur müssten gegen gerechnet werden. Frank Mentrup sieht wenig Chancen für eine Senkung der Preise seitens der MVV, erstens habe die MVV in der Vergangenheit die Preise schon gesenkt und zweitens könnten andere Anlieferer (Karlsruhe) ebenfalls Preissenkungen verlangen.

Müllgebühren:

„Eine Senkung der Kosten für die Müllverbrennung in Mannheim bedeutet nicht, dass damit die Müllgebühren der Bürger im Rhein-Neckar-Kreis deutlich sinken“ so Frank Mentrup. „Wieso zahlen die Heidelberger Bürger, deren Müll ebenfalls in Mannheim verbrannt wird, nur etwa die Hälfte der Müllgebühren, die die AVR verlangt?“ Die Höhe der Müllgebühren hänge eben wesentlich von anderen Faktoren wie Personalkosten, städtischer oder ländlicher Entsorgung ab. Die von Schütz geforderte Senkung der Verbrennungskosten könnte höchstens zu einer Entlastung von 15,-- Euro/Jahr für einen durchschnittlichen 4-Personenhaushalt führen.

Fazit:

Die Zeiten solidarischer, ökologischer und interkommunaler Entsorgungskonzepte scheinen vorbei zu sein. Sie werden im Konkurrenzkampf liberalisierter Märkte zerrieben. Die Bürger werden über eine vermeintliche Senkung der Müllgebühren geködert. Die Einsparungen gehen aber zu Lasten der Umwelt, der Infrastruktur und des beschäftigten Personals. Mögliche wirtschaftliche Risiken oder gar Insolvenzen – siehe Kapazitäten – müssen letztendlich wieder die Bürger über ihre Müllgebühren tragen. Daher es bleibt dabei: Die MVV muss sich bewegen. Sie hat gerade wegen ihres regionalen Monopols und des beispielhaften Standards und Standorts ihrer MVA eine hohe Verantwortung. Letztendlich müsste die MVV auf 3,5 Mio. € Umsatz/Jahr verzichten – bei einem Umsatz der gesamten MVV Energie AG von 2,3 Mrd. € nicht einmal ein halbes Prozent. Landrat Schütz und der AVR geht es in Verbindung mit der Firma Remondis um eine strategische Neuausrichtung der Abfallentsorgung: Ausstieg aus der Zusammenarbeit mit Heidelberg und Mannheim – Einstieg in den hochprofitablen Entsorgungsmarkt. Diese grundsätzlich legitimen Bestrebungen lösen jedoch im konkreten Fall sinnvolle Formen der interkommunalen Zusammenarbeit in einem Bereich der Daseinsvorsorge auf und werden daher von der SPD abgelehnt. Landrat Schütz und die AVR sollten ihre ökologisch und ökonomisch unsinnige Standortsuche im gesamten Rhein-Neckar-Kreis einstellen. Auch da kann man Kosten sparen und viel Unruhe in den Gemeinden vermeiden.

PS: Die Ansiedlung einer MVA am Schwabenheimer Hof mag dank der frühen Veröffentlichungen in der Presse – sehr zum Ärger von Landrat Schütz! - und des Widerstands in der Gemeinde vermieden worden sein, aber weiterhin im Raume steht die Ausweitung des Betriebsgeländes der AVR im Oberen Langgewann. Auch da wird der Gemeinderat in Zukunft gefordert sein!

 

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